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Schwarze Schwäne (1/2)

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Henrik Schilling

1. Begriff und Herkunft

Bis ins 17. Jahrhundert war man der festen Überzeugung, dass es auf der Welt ausschließlich weiße Schwäne gibt. 1697 entdeckt der Seefahrer Willhelm de Vlamingh in Australien einen Trauerschwan: Diese Schwäne sind schwarz und somit wiederlegte er die Gewissheit um die Farbe der Schwäne.

Heute ist der Schwarze Schwan deshalb ein Symbol dafür, dass das Undenkbare doch möglich ist.

2. Nassim Nicholas Taleb

Nassim Nicholas Taleb ist ein Philosoph und Forscher in den Bereichen der Statistik und der Finanzmathematik, der durch seine Forschung über unvorhersehbare Ereignisse die Theorie der Schwarzen Schwäne aufstellte, die er vor allem auf die Geschichtsphilosophie anwendet. Er kritisiert, dass Menschen die Welt als berechenbar und vorhersehbar einschätzen und dadurch unvorhersehbare Ereignisse mit drastischen negativen Auswirkungen unterschätzen oder ignorieren und nennt dieses Phänomen den platonischen Fehlschluss.

Er schildert in seinem Werk anhand von persönlichen Erfahrungen und historischen Ereignissen, was Schwarze Schwäne sind und wie man mit ihnen umgehen kann.

3. Theorie

Die Ereignisse, die Taleb in seiner Theorie beschreibt, müssen drei Kriterien erfüllen, um als Schwarze Schwäne zu gelten:

  • Der Ereignis muss außerhalb der Vorstellungskraft liegen.
  • Das Ereignis muss extreme Auswirkungen haben.
  • Das Ereignis lässt sich rückblickend erklären.

Laut Taleb entstehen Schwarze Schwäne in dem platonischen Graben – die Grenze, wo die platonische Denkweise (wir glauben, wir würden mehr verstehen als der Fall ist) mit der unordentlichen Realität in Kontakt kommt, wo die Kluft zwischen dem was wir wissen und dem, was wir zu wissen glauben, gefährlich groß wird.

Andere Autoren wie Terje Aven weiten die Definition Talebs weiter aus und differenzieren zwischen verschiedenen Arten von Schwarzen Schwänen, was letztendlich auch für das Kri- senmanagement von Vorteil ist, da man so Hinweise erhalten kann, auf welche Arten von Schwarzen Schwänen wie reagiert werden muss und wie man sie möglicherweise in der Zukunft verhindern, oder zumindest eindämmen und sich besser darauf vorbereiten kann.

Er unterscheidet zwischen

  1. unknown unknowns, also den Unbekannten Unbekannten, mit denen er Ereignisse beschreibt, die im wissenschaftlichen Umfeld als unmöglich galten oder schlichtweg nicht bekannt waren, den
  2. unknown knowns, also den Unbekannten Bekannten, die Ereignisse darstellen, die im Auge der Betroffenen als nicht bekannt oder möglich galten, von denen andere aber wussten, dass sie eintreten können und den
  3. events that are judged to have a negligible probability of occurrence and thus are not believed to occur, also denjenigen Ereignissen, von denen zwar bewusst ist, dass sie eintreten können, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts aber als so gering angesehen wird, dass sie nicht beachtet werden.

3.1. Die Truthahn-Theorie

Schwarze Schwäne sind vor allem so gefährlich, da sie nicht vorhergesehen werden und man dadurch nicht auf die Auswirkungen vorbereitet ist.

Die Logik dahinter lässt sich recht simpel an dem Beispiel eines Truthahns erklären, der 364 Tage gefüttert und umsorgt wird und sich daher nicht vor dem Bauern zu fürchten hat, bis er dann am 365. Tag völlig überraschend geschlachtet wird.

Laut Dr. Christoph Meili geht es den Menschen aus drei Gründen genauso überraschend, wie dem Truthahn. Erstens würden wir uns vor falschen Dingen fürchten und Risiken falsch einschätzen, wie der Raucher, der sich vor Handy-Strahlung fürchtet. Zweitens übersehen wir Risiken, die wir bis zum Eintreten als undenkbar einschätzen und drittens orientieren wir uns bei Risiken an der Erfahrung, also der Vergangenheit und fühlen uns sicher, solange nichts passiert ist.

Sehr deutlich zeigt das zum Beispiel der Terrorangriff vom elften September 2001, der ein komplettes Umdenken bei der Terrorabwehr hervorgerufen hat.

4. Beispiele

4.1. Thalidomid oder der Contergan Skandal

Der Contergan Skandal gehört zu der ersten Kategorie der Unbekannten Unbekannten. Thalidomid wurde in den fünfziger und frühen sechziger Jahren als Schlaf- und Beruhigungsmittel, vor allem in Deutschland verkauft. Es zeigte keinerlei Nebenwirkungen bei Tierversuchen und galt

als eine gute Alternative zu bromhaltigen Schlafmitteln. Nachdem kurze Zeit nach Markteinführung eine erhöhte Anzahl an fehlgebildeten Neugeborenen auftrat, wurden Forscher auf das Medikament aufmerksam, das zuerst nicht schuldig schien, da die statistischen Erhebungen der Fehlbildungen nur bis zur Markteinführung vorhanden waren. 1961 wurde der Verdacht von Forschern durch die Welt am Sonntag publik gemacht, was dazu führte, dass das Arzneimittel vom Markt genommen wurde. Knapp fünfzig Jahre später trat der Hersteller erstmals in Dialog mit den Opfern und sicherte eine freiwillige Zahlung von insgesamt 50 Millionen Euro an die Conterganstiftung zu.

Die Nebenwirkungen und somit der Auslöser der Krise war im Vornherein nicht bekannt und konnte auch wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden, weswegen der Skandal in die erste Kategorie fällt.

4.2. Die Terrorangriffe von 9/11

Die Terrorangriffe des elften September 2001 gehören laut einigen Autoren in die zweite Kategorie der Unbekannten Bekannten. Am elften September wurden mehrere Flugzeuge in amerikanischem Luftraum gekapert und zu gezielten Abstürzen in das World Trade Center, das Pentagon, sowie auf ein Feld (durch Absturz nach Kämpfen mit Passagieren) gelenkt. Das Ereignis hatte nicht nur das ganze Land, sowie Millionen Menschen auf der gesamten Welt in einen Schock versetzt, sondern auch das Denken über und den Umgang mit Terrorismus grund- legend verändert. Es löste einen Krieg aus und schädigte Unternehmen teils dauerhaft. Der An- schlag hat nicht nur eine, sondern gleich etliche Krisen für verschiedene Beteiligte ausgelöst und wird bis heute diskutiert. So entwickelten Autoren anhand der Vorkommnisse von damals Leitfäden für das Krisenmanagement im Umgang mit Schwarzen Schwänen, die später noch diskutiert werden sollen.

Einige Autoren behaupten, dass der Anschlag allerdings zu der zweiten Kategorie gezählt wer- den kann, da zwar die Betroffenen überrascht wurden, man aber bei besseren Sicherheitsvorkehrungen oder besserer Kontrolle der Fluggäste dem entgegen hätte wirken können. Außer- dem gab es, dadurch, dass es ein menschengemachtes Ereignis war, Personen, die in die Pläne eingeweiht waren und somit wussten, was passiert, was die Einordnung in die zweite Kategorie auch erklären kann.

4.2. Der Tsunami und das darauffolgende Reaktorunglück von Fukushima

Das Erdbeben vor der japanischen Küste, das den Tsunami auslöste, der dafür sorgte, dass es im AKW von Fukushima zu einer Katastrophe kam, die in vielen Ländern zu einem Umdenken in der Energiegewinnung und dadurch nicht nur für die japanischen Betreiber eine Krise aus- löste, hätte laut einigen Autoren vorhersehbar sein müssen und zählt damit in die dritte Kategorie der Ereignisse, die zwar möglich aber so unwahrscheinlich sind, dass ihr Eintreten ignoriert wird.

Laut Aven stand das Erdbeben und der Tsunami vor Japan auf einer Liste mit möglichen Naturkatastrophen, wurde aber aufgrund der Unwahrscheinlichkeit von dieser entfernt. So haben auch Nachforschungen und Gutachten eingeräumt, dass das AKW nicht ausreichend gegen eine mögliche Flutwelle gesichert war, was unter anderem eine Debatte auslöste und auch für das Krisenmanagement die interessante Frage aufwirft, bis zu welchem Punkt etwas geschützt wer- den kann. (Wie hoch kann die Mauer gebaut werden, die das AKW hätte schützen können?)

Das Beispiel zeigt sehr eindeutig wie schmal der Grat derjenigen Dinge ist, die wahrscheinlich sind und die so unwahrscheinlich sind, das man denkt, man könne sie vernachlässigen.

Und wie sich Schwarze Schwäne auf das Krisenmanagement auswirken können Sie im nächsten Artikel lesen.

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