Lisa-Marie Schulze
Ich sitze gerade am Küchentisch bei meiner Familie zuhause, die ich dank meiner neu gewonnen Zeit viel öfter besuchen kann. Es ist Mitte Juni und draußen sind 29 Grad. Gerade bin ich einfach nur froh, nicht im Dachgeschoss zu wohnen und einen kühlen Arbeitsplatz zu haben.
Aber was ist eigentlich mit den Arbeitnehmern, die diesen Luxus nicht haben? Der Sommer hat noch nicht einmal richtig angefangen und dieses Jahr soll es sogar noch wärmer werden als letztes. Wenn ich an letztes Jahr zurückdenke, denke ich an volle Parks und Freibäder, Menschen die Abkühlung bei den Tiefkühlprodukten im Supermarkt suchen und kühle, klimatisierte Büros. Und dieses Jahr? Keine dieser Maßnahmen wird für uns so möglich sein.
Und besonders das Büro gibt mir zu denken.
Durch Corona ist Home-Office für die meisten von uns schon Alltag geworden und bringt viele Vorteile mit sich: Kein Berufsverkehr, mehr Zeit für die Familie, selbstgekochtes Mittagessen und keine Ablenkung durch die gesprächigen Kollegen.
2019 hat die AOK in ihrem Fehlzeitreport eine Umfrage zum Thema Home-Office gemacht und kam zu dem Ergebnis, dass 73,7% der befragten Arbeitnehmer im Home-Office produktiver sind als im Büro. Auch der Krankenstand ist mit 7,7 Tage niedriger als bei den Mitarbeitern im Büro (11,9 Tage). Aber für viele Arbeitnehmer ist der Home-Office Alltag auch stressig, Erschöpfung und Wut und Verärgerung sind die häufigsten Leiden im Home-Office und auch die fehlende klare Grenze zwischen Arbeit und Privat macht vielen zu Schaffen.
Und dazu noch 30 Grad im Schatten? 35 Grad in der Küche oder im Arbeitszimmer und die Leute in den Dachgeschosswohnungen möchte ich gar nicht erst fragen.
Der Hochsommer könnte für viele Heimarbeiter und deren Arbeitgeber zum Problem werden. Oder?
Laut den technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) soll die Lufttemperatur in Arbeitsstätten die 26-Grad Grenze nicht überschreiten. Eine Überschreitung kann in Einzelfällen sogar zu gesundheitlichen Schäden führen (z.B. bei schwangeren Frauen oder bei körperlichen Tätigkeiten).
Ein Raum gilt für die Ausübung von Tätigkeiten als nicht mehr geeignet, wenn die Temperatur bei über 35 Grad Celsius liegt und keine Vorkehrungen getroffen werden. Hat der Arbeitgeber keine Mittel, um die Temperatur zu senken, können die Arbeitnehmer einen Ausweichraum verlangen. Ist dies nicht möglich, müssen sie frei bekommen. Unzumutbare Arbeitsbedingungen müssen Arbeitnehmer nicht hinnehmen.
Nun sind die meisten von uns diesen Sommer voraussichtlich noch im Home-Office und auch hier sollten die Arbeitsbedingungen passen: Neben ergonomischen Büromöbeln und ausreichend Beleuchtung sollte also auch auf die richtige Temperatur geachtet werden.
Die Anforderungen an die Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen sind im Anhang 6 des ArbStättV vorgegeben.
Und was passiert, wenn es in meiner Wohnung viel zu warm ist, ich aber nicht ins Büro kann, da die Corona-Auflagen dies nicht erlauben?
Grundsätzlich muss man vor der Bewertung dieser Vorgaben die Begrifflichkeiten Telearbeiten und Mobiles Arbeiten abgrenzen.
Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Arbeitsplätze im Privatbereich des Arbeitnehmers. (D.h. der Arbeitgeber stellt dem Mitarbeiter das Mobiliar, die Arbeitsmittel und die Kommunikationseinrichtungen). Dabei kann sich der Arbeitsplatz permanent im Privatbereich befinden oder es findet ein Wechsel zwischen den Arbeitsplätzen statt.
Mobiles Arbeiten ist hingegen an keinen Ort gebunden, d.h. der Mitarbeiter ist unabhängig von einem festen Arbeitsplatz.
Für beide Arbeitsformen gilt für den Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht und Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter. Das Arbeitsschutzgesetz findet bei beiden also uneingeschränkt Anwendung. Für die Telearbeit gilt außerdem die Arbeitsstättenverordnung. Trotzdem hat der Arbeitgeber nach §3 Abs. 1 ArbSchG die Pflicht, Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu treffen, auch bei mobilen Arbeiten. Da die Arbeitsumstände aber flexibel sind trifft den Arbeitnehmer eine erhöhte Verantwortung nach $15 Abs. 1 ArbSchG, das bedeutet er muss verstärkt selbst auf die Einhaltung der Arbeits- und Gesundheitsvorschriften achten. Für den Arbeitgeber rückt die Unterweisungspflicht stärker in den Vordergrund (= den Arbeitnehmer über den eigenverantwortlichen Umgang mit Risiken hinreichend informieren und befähigen).
Wir haben dazu auch mit Herrn Dr. Jan Schürmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht (Hamburg) gesprochen: “Die Umstellung auf Home-Office bzw. Mobiles Arbeiten erfordert eine sorgfältige Abstimmung und umfassende Planung. Zur Umsetzung ist entweder eine arbeitsvertragliche Vereinbarung oder eine Betriebsvereinbarung erforderlich. Dabei müssen Aspekte wie Arbeitsschutzrecht und Unfallversicherung, öffentliches Arbeitszeitrecht, Datenschutz und Datensicherheit wie auch ggf. eine angemessene Arbeitszeitkontrolle und die Einbindung in die übrigen betrieblichen Abläufe angemessen geregelt werden. Wer stattet den Arbeitsplatz aus und kommt für Reparaturen auf, wer zahlt den Telefonanschluss und den Strom? Diese und weitere Punkte sollten unbedingt besprochen und festgelegt werden, bevor es zu Problemen oder Missverständnissen kommt.“
Dabei sollte auch das Thema Temperatur aufgegriffen werden.
Besonders Arbeitgeber sollten sich frühzeitig Gedanken machen, wie sie dieses Thema in Zukunft handhaben. Denn was bedeutet es für den Arbeitgeber, wenn ein Teil der Belegschaft nicht arbeitsfähig ist, da die Arbeitsbedingungen im Home-Office nicht gewährleistet werden können?
Wertvolle Tipps, wie: Körperpartien (bspw. Handgelenke) kühlen, Ernährung und Bekleidung anpassen, mehr trinken und Wärmequellen vermeiden (bspw. unnötige Geräte im Büro abschalten) sind eine einfache Möglichkeit dem Mitarbeiter das mobile Arbeiten im Sommer angenehmer zu gestalten.
Der Ausfall von Personal in der Krise ist kein unwahrscheinliches Szenario, welches Sie vordenken und besprechen sollten.
Gerne unterstützen wir Sie dabei.
Bei Fragen oder Anregungen wenden Sie sich gerne an uns!