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Corona – was wir von anderen Ländern lernen können… oder auch nicht? – Teil 2: Schweden

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Lisa-Marie Schulze

Verschiedene Länder – verschiedene Strategien.

Die Medien berichten täglich über das Corona-Virus, die Auswirkungen und auch über die unterschiedlichen Herangehensweisen der Länder zur Eindämmung. Es wird viel kritisiert, hinterfragt und verglichen: Fehler werden gefunden und diskutiert. Im Rahmen unserer Corona-Morgenlage mit dem Verband für Sicherheitstechnik (VfS) haben wir einen Ländervergleich aufgestellt, in dem die Maßnahmen von drei verschiedenen Ländern, mit verschiedenen Herangehensweisen, gegenübergestellt werden.

Dazu haben wir im ersten Schritt die Zahlen der Länder verglichen, die für die weitere Betrachtung die Grundlage bilden. In unserem Blog soll nun jede Woche ein anderes Land vorgestellt werden und welche anderen Wege es beim Kampf gegen das Virus gibt.

Diese Woche betrachten wir Schweden:

Die folgende Tabelle zeigt die für die Betrachtung relevanten Zahlen:

 

Fläche

Einwohner

EW/km²

Infizierte

Tote

Recovered

Deutschland

357.582 km²83.166.711233311.1139.652257.700
Schweden447.435 km²10,23 Millionen2396,6775,892N/A
Quelle: worldometers.info/coronavirus, letzter Zugriff: 8.10, 08:20 Uhr

 

Schweden steht seit Beginn der Pandemie im medialen Fokus, nicht selten wird von dem schwedischen „Sonderweg“ gesprochen. In diesem Blogbeitrag wollen wir uns den Sonderweg einmal genauer anschauen:

Eigenverantwortung statt Lockdown:

In Schweden gab es bisher keinen vorgeschriebenen Lockdown. Anstatt Verbote und Regeln auszusprechen, setzen die Schweden bei der Bekämpfung des Virus auf „starke“ Empfehlungen. Die Regierung appelliert an die Vernunft und Einsicht der Bevölkerung und empfiehlt, zuhause zu bleiben. Anders hingegen sieht es bei Personen aus, die Krankheitssymptome aufweisen, diese werden dazu angehalten, zuhause zu bleiben.

Unbedingter Mindestabstand statt Maskenpflicht:

Auch eine Maskenpflicht gibt es in Schweden nicht, dafür wird stark auf die Einhaltung des Mindestabstandes verwiesen. Der Tenor: Keine Maske und Abstand seien sicherer, als eine schlampig getragene Maske und kein Abstand.

Keine Schließung von Schulen und Kitas, Bars und Restaurants, Altenheime:

Schulen und Kitas bleiben geöffnet und auch Bars und Restaurants mussten bisher nicht schließen. Die Regierung überträgt aber die Verantwortung, dass das Virus sich nicht ausbreitet, an die Betreiber. Das bedeutet, dass diese ausreichend Maßnahmen einleiten müssen, um die Ausbreitung zu minimieren bzw. zu verhindern.

Auch bei Altenheimen gab es viele Monate keine Einschränkungen, aber die Entscheidung wurde Schweden zum Verhängnis, denn fast 80% der Corona-Toten waren pflegebedürftig. An diesem Punkt wurde der Sonderweg stark kritisiert und man erließ zum 01. April 2020 für ein Besuchsverbot für Altern- und Pflegeheime. Dieses Besuchsverbot galt bis zum 1.10.2020.

Begrenzte Personenanzahl für Veranstaltungen:

Schweden begrenzte die Personenanzahl für Veranstaltungen auf maximal 50, ab Oktober 2020 sind bei öffentlichen Veranstaltungen mit Mindestabstand 500 Personen erlaubt.

Rekordwert bei Tests:

Im September wurden die Testzahlen hochgefahren, es werden derzeit ca. 120.000 Tests pro Woche durchgeführt. 

Empfehlungen für den öffentlicher Nahverkehr/ Sitzplatzreservierung im Fernverkehr:

Im Fernverkehr kann nur mit einer Sitzplatzreservierung gereist werden, um die maximale Personenanzahl nicht zu überschreiten und damit die Abstandsregeln eingehalten werden können.

Für den Nahverkehr wird empfohlen, die Stoßzeiten zu vermeiden und die Hygienemaßnahmen einzuhalten.

Mobile Teams zur lokalen Betreuung und Ausbau von Kapazitäten:

Von Beginn an wurde mit Hochdruck am Ausbau der Kapazitäten gearbeitet und seit Mitte März hat sich die Anzahl der Intensivbetten verdoppelt. Besonderes Augenmerk hat die Regierung dabei auf die am stärksten von der Pandemie betroffene Hauptstadtregion gelegt. Außerdem wurden sogenannte „mobile Teams“ eingesetzt, die die Gesundheitseinrichtungen entlasten sollen, indem sie die Patienten zuhause betreuen.

Empfehlung zum Home-Office und staatliche Hilfen für die Wirtschaft:

Für Unternehmen besteht eine Empfehlung, die Mitarbeiter bis Ende 2020 ins Home-Office zu verlegen, sofern dies möglich ist. Wenn Mitarbeiter trotzdem ins Büro müssen, sollen die Arbeitszeiten so flexibel gestaltet werden, dass die Stoßzeiten im öffentlichen Nahverkehr verringert werden. Seit Mai 2020 beteiligt sich der Staat mit bis zu 50% an den Kurzarbeiterkosten, Selbstständige müssen weniger Sozialabgaben zahlen und entlassene Mitarbeiter sollen schnell und einfach Unterstützung bekommen.

Schweden öffnet sich für die Abweichung vom Sonderweg:

Sollte sich die Lage in den Wintermonaten in Schweden drastisch verschlechtern, planen die Gesundheitsbehörden regionale und lokale Maßnahmen, die vom Sonderweg abweichen: Einschränkungen im öffentlichen Nahverkehr, umfassende Verbote öffentlicher Versammlungen und die Aufforderung zum Tragen von Mund- und Nasenschutz sind bisher in der Diskussion.

Trotz Verbotsverzicht gibt es negative Folgen für die Wirtschaft:

Der schwedische Sonderweg wurde bisher in den Medien stark kritisiert. Auch gegen den Staatsepidemiologen Anders Tegnell wurden Vorwürfe laut, er würde Menschenleben aufs Spiel setzen, eine Art Poker mit den Risikogruppen spielen. Seiner Aussage nach, vertraue er selbst aber auf den gesunden Menschenverstand, anstatt wie Deutschland auf eine Straf- und Verbotskultur zu setzen.

Das Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal um 8,6% geschrumpft, die Prognosen der schwedischen Regierung sehen aber für 2021 wieder ein Wachstum vor. Auch der private Konsum ist zurückgegangen, während die Arbeitslosenzahlen steigen.

 

Nächste Woche betrachten wir das letzte Land unseres Vergleichs: China. 

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